stupor mundi et immutator mirabile
(das Staunen der Welt und ihr wundersamer Verwandler)
Als das Papsttum im 13. Jahrhundert die deutsche Kaisermacht zerschmettert, wird der Grundstein eines gewaltigen innereuropäischen Zerwürfnisses gelegt, das wir erst heute langsam überwinden. Die Entwurzelung der weltlichen Autorität schafft eine Zersplitterung Zentraleuropas, die über den Dreißigjährigen bis hin zum Kalten Krieg eine unheilvolle Wirkung entfaltet. Was hier bei uns bleibt ist eine diffuse Sehnsucht nach Größe und eine tiefe Depression über das Nichterreichte (s. Nationalsozialismus).
Im letzten Staufischen Kaiser Friedrich dagegen manifestiert sich noch die besondere Reinheit der herbeigesehnten Allmacht. Er zeigt von allem das Größte. Er ist gütig und er ist grausam, liebevoll und kalt, hingebungsvoll und zerstörerisch, aber immer ein vom Eros durchdrungener Ästhet, sogar in der Schlacht, beim Töten. Er ist der imperatore romanorum, der Kaiser des römischen Imperiums, auch wenn es sich, schon zum Verdruß seiner Vorväter, seit einiger Zeit recht geschrumpft präsentiert.
Seine Position in der allgemeinen Hierarchie ist ein dermaßenes Absolutum, dass es die Menschen in den Staub zwingt vor der Fülle seiner Machtvollkommenheit. Man muß sich die strenge Vertikalität dieser Hierarchie zu heute verzehnfacht vorstellen. Im Volk herrscht meistens Leibeigenschaft und Sklaverei. Die Menschen eines Landes "gehören" mit Leib und Seele ihren Beherrschern. Im Gegensatz zu heute allerdings existieren in den abgründigen Weiten der damals noch vorhandenen Naturräume zahlreiche freie Klans, Familien und Einzelgänger. Besonders Italien kennt kaum friedliche Zeiten. Machterhalt basiert auf permanenter Gewalt. Die Fürsten können sich nur mit militärischer Gewalt oben halten und laufen immer wieder Gefahr sofort ihre Gebietseinflüsse zu verlieren, wenn sie diesem Stress nicht standhalten. Dauernd lassen eine Unzahl größerer und kleinerer Heerzüge die italienischen Völker zur Ader.
Es herrscht Blutrache. Und es gehört geradezu zu den Gepflogenheiten, einen Gegner bei jeder Gelegenheit, die sich bietet, zu töten. Gelegentlich auch einen Verbündeten. Wenn möglich nicht etwa im offenen Kampf, sondern lieber hinterrücks. In die Seele dieses mittelalterlichen Menschen ist ein tiefer Widerspruch eingebrannt. Unterwerfung unter Gewalt und Einfluß fordern in der Öffentlichkeit bis zur Perversion übertriebene, demütige Umgangsformen, im heimlichen Innersten aber lauert der Giftmord. Es ist einfach sicherer Mitaufstrebende zu töten, bevor ihr Einfluß zu groß wird. Und auch ein deutsch-römischer Kaiser ist nicht frei davon. In dieser allesdurchdringenden Bösartigkeit wächst Friedrich elternlos auf und leidet auch ganz unmittelbar darunter.
Sogar seine Ermordung ist nicht unwahrscheinlich, aber man schiebt ihn nur zur Seite und bedient sich seiner. Vielleicht überlebt er deshalb die ersten Jahre, weil der Papst sein Vormund ist, vielleicht auch, weil sein Vater und sein Großvater schon römisch-deutsche Kaiser waren. Im Grunde seines Herzens ist Friedrich Optimist und rastloser Erfinder. In ihm vereinigen sich staufischer Intellekt, normannische Abenteuerlust und sarazenischer Geschmack.
Der Reigen seiner Kulturschöpfungen legt in vieler Hinsicht das Fundament der Renaissance. Volgare (das heutige Italienisch) als Hof- und Dichtungssprache, Verfassung (von Melfi), Universitäten (Neapel), "gerecht" durchorganisiertes Staatswesen, erotische Hofkultur, Vielvölkerkultur und Schutz Andersgläubiger.
Doch der erbarmungslose Kampf des Papsttums um die weltliche Vorherrschaft zerstört Friedrichs Persönlichkeit und alle positiven Ansätze. Nachdem der Papst seine Geliebte vergiften lässt, mutiert er zum blutrünstigen Tyrannen. Die Scheiterhaufen brennen und das Reich zerfällt...
Friedrich II, 1220 - als 26-jähriger, gerade gewählt als Kaiser des Heiligen Römischen Reichs.